Forscher der Uni Luxemburg verbessern mit dem neuen Mobilfunkstandard die Weltraumkommunikation
Source : Luxemburger Wort
Publication date : 06/27/2022
Wer die letzten Monate und Jahre im Home-Office verbracht und dort fast ausschließlich über Meeting-Plattformen wie Teams oder Zoom mit seinen Kollegen und Geschäftspartnern kommuniziert hat, kennt das Problem womöglich nur zu gut: Der Ton kommt verzögert, der Bildschirm friert ein oder aber die Verbindung bricht komplett ab. Während solche technischen Probleme im Arbeitsalltag durchaus nervig sein können, gewinnt die Problematik an Bedeutung, wenn man dasselbe Szenario auf den Mond überträgt. Dort nämlich kann man nicht einfach auf eine bessere Verbindung warten, wenn beispielsweise ein von der Erde aus gelenktes Mondfahrzeug auf eine Klippe zusteuert. Aktuell besteht diesbezüglich zwar keine Gefahr, doch stellt die Latenz, also die Zeitspanne zwischen dem Senden und dem Ankommen eines Signals, mit der wir auf der Erde derzeit leben müssen, durchaus eine Herausforderung für die Verwirklichung einer Infrastruktur auf dem Mond da.
Übertragung zum Mond simuliert
Die 5G-Technologie, an deren Ausbau eifrig gearbeitet wird, und die 6G-Technologie, zu der ebenfalls bereits geforscht wird, werden die Möglichkeiten, die sich durch die Geschwindigkeit und das Datenvolumen ergeben, überall verändern – sogar auf dem Mond. Aus Sicht der Forschung ist daher eine nahtlose Verbindung zwischen terrestrischer, satellitengestützter und weltraumgestützter Kommunikationsinfrastruktur unter Verwendung eines einheitlichen Standards wie 5G von entscheidender Bedeutung. Denn so kann sichergestellt werden, dass alles und jeder in Verbindung bleibt – und das überall.
Ingenieure der Universität Luxemburg haben vor diesem Hintergrund kürzlich eine Reihe von Tests durchgeführt, um zu demonstrieren, wie man zwischen terrestrischen 5G-Verbindungen, Satelliten und einer simulierten Mondinfrastruktur umschalten kann. Dazu wurde von Forschern des SnT (Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust) eine durchgehende 5G-Datenkommunikationsverbindung zwischen ihrem 5G-SpaceLab und dem 5G/6G-Hub der ESA in Harwell (Großbritannien) aufgebaut. Simuliert wurde dabei auch eine Datenverbindung zwischen Erde und Mond, bei der die Ingenieure versuchten, einen Rover zu steuern, der über die Mondoberfläche rollt. Die durch diese Simulation ermittelte Übertragungsdauer zum Mond wurde dann noch zu der terrestrischen und satellitengestützten Latenz addiert, so dass die Forscher eine Verzögerung von drei bis vier Sekunden zwischen der Ausgabe des Befehls an das Mondfahrzeug und dessen Antwort feststellen konnten. Im ungünstigsten Fall hätte es für das Mondfahrzeug also tatsächlich zu spät sein können.
Für Jorge Querol, der das 5G-SpaceLab an der Universität Luxemburg koordiniert, spielen 5G und 6G eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung komplexer Kommunikationssysteme im Weltraum. „Künftige Aktivitäten auf dem Mond, wie die Erschließung von Ressourcen und die Besiedlung durch Menschen, werden solche Kommunikationssysteme für ihren sicheren, zuverlässigen und effizienten Betrieb benötigen“, so Querol. Ähnlich sieht das auch Antonio Franchi, Leiter des 5G/6G-Strategieprogramms der ESA. „Unsere Demonstration der nahtlosen Umschaltung zwischen einem terrestrischen Netz und einem weltraumgestützten Netz zeigt das große Potenzial dieser Technologie“, so Franchi mit Verweis auf Prognosen, wonach die 5G- und 6G-Technologie in den kommenden zehn Jahren enorme Vorteile für die Volkswirtschaften weltweit bringen wird. Zu den Bereichen, die davon profitieren sollen, gehören etwa die Telemedizin, die industrielle Automatisierung und das autonome Fahren.
Es geht in erster Linie also zunächst um Anwendungen auf der Erde, wo – im Gegensatz zum Mond – jeder neue Mobilfunkstandard nicht nur mit technischen Herausforderungen konfrontiert wird, sondern auch mit Fragen aus der Bevölkerung. Antworten darauf soll zukünftig unter anderem die am LIST (Luxembourg Institute for Science and Technology) entwickelte Plattform „5G-Planet“ liefern. Bei diesem Projekt geht es darum, eine digitale Kopie der bestehenden luxemburgischen 5G-Infrastruktur zu erstellen, um deren Nutzung und Fähigkeiten einem breiten Publikum zu demonstrieren. Konkret sollen also die Erfahrungen des LIST bei der Planung und Gestaltung neuer 5G-Netze am praktischen Beispiel Luxemburgs veranschaulicht werden. Im Fokus stehen dabei vor allem vernetzte Mobilitätsanwendungen und intelligente Verkehrssysteme, da diese zu den vielversprechendsten Anwendungen des 5G-Mobilfunkstandard gehören. 5G-Planet soll zum einen Entscheidungsträger bei der Planung von 5G-Netzen für vernetzte und Mobilitätsanwendungen unterstützen, darüber hinaus aber auch das öffentliche Interesse an dieser neuen Technologie verstärken. Zu diesem Zweck arbeitet die Plattform mit einem sogenannten digitalen Zwilling, bei dem die 5GInfrastruktur des Landes digital nachgebildet ist. Neben der Unkenntnis über die Möglichkeiten des neuen Mobilfunkstandards beschäftigt viele Menschen auch die elektromagnetische Strahlung, die mit jeder drahtlosen Kommunikationsanwendung einhergeht. Und auch wenn die neue Technik ein Stück weit auf die bereits vorhandene 4GNetzwerkinfrastruktur zugreifen kann, so ist die Errichtung weiterer Antennen unvermeidlich. Und genau hier setzt ein weiteres LISTProjekt an: 5G-EMIT. Auch bei diesem Projekt wird eine OnlinePlattform mit Informationen gefüllt.
Plattform mit Echtzeitdaten
So geht es zum einen darum, alle Daten bezüglich elektromagnetischer Strahlung in Luxemburg zu sammeln und über eine interaktive Karte der Öffentlichkeit frei zugänglich zu präsentieren. Ergänzend dazu installieren die Forscher Sensoren im Land, um vor Ort und in Echtzeit die elektromagnetische Strahlung zu messen, die von 4G-, 5G- oder sonstigen Antennen ausgeht. Mit diesen Echtzeitdaten wird dann die interaktive Karte gefüttert, die wiederum alle Antennenstandorte beinhaltet. Nicht zuletzt bietet die Plattform auch ein Tool für die Akteure des Netzausbaus. So können Betreiber simulieren, welche Auswirkungen Antennen mit bestimmten Leistungen an bestimmten Standorten unter Berücksichtigung aller Indikatoren haben.
UWE HENTSCHEL