Der junge Physiker Olivier De Castro über seine Leidenschaft, Ionenkanonen und die Anforderungen der Forschung
Source : Lëtzebuerger Journal
Publication date : 01/30/2015
Technischer Sekundarschulabschluss in Luxemburg, Bachelor und Master in Aachen, Doktorat in Paris, Forschung am „Luxembourg Institute of Science and Technology“ - und morgen vielleicht woanders in der Welt: Der junge luxemburgische Physiker Olivier De Castro, Jahrgang 1988, über seine Studien und seine Perspektiven.
Was hat Sie eigentlich zur Physik hingezogen?
Olivier De Castro Es hat mir immer Spaß gemacht, mich damit auseinander zu setzen. Aber nicht nur mit der Theorie, sondern auch mit den konkreten Anwendungen. Mein Interesse lag immer spezifisch auf der Verbindung zwischen Physik und den Ingenieurswissenschaften. Deshalb habe ich schon in
der 10. Klasse im technischen Sekundarunterricht die Wahl getroffen, viel Mathematik, Physik, aber auch Chemie zu studieren.
Nach dem Abschluss haben Sie einen Bachelor und dann einen Master in Aachen absolviert. Wie haben Sie den Übergang in die akademische Welt empfunden?
De Castro Das rüttelt einen schon ein wenig durch. Denn man kommt ja ein wenig mit der Überzeugung rein, dass man doch schon einiges über Physik weiß. An der Uni stellt man dann fest, dass man nur einen sehr kleinen Teil dieses sehr weiten Feldes gesehen hat. Das ist ein sehr spannender Moment. Vor allem, wenn man erstmals Experimente selbst durchführt. Im zweiten Bachelor-Jahr sind Praktika in Laboratorien Pflicht. Da habe ich außerordentlich viel lernen können. Vor allem auch was den Umgang mit den Instrumenten und deren Beschaffenheit angeht. Es ist aber auch so, dass man eine ganze Reihe Fächer in verschiedenen Sparten der Physik belegen kann, um sich einen besseren Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen. Ich habe zum Beispiel auch Geophysik belegt und mich mit Magnetresonanz beschäftigt.
Beim Master muss man sich aber dann schon konkreter festlegen?
De Castro Richtig. Ich habe mich damals für Festkörperphysik entschieden, also alles was mit Materialien im festen Aggregatzustand zu tun hat. Da habe ich auch wieder sehr viel gelernt, was Messinstrumente anbelangt. Faszinierend war die Messzeit am Teilchenbeschleuniger DESY in Hamburg, wo wir Experimente mit Röntgenstrahlen durchführten.
Und wann fiel die Entscheidung, ein Doktorat zu beginnen?
De Castro Desto weiter ich in meinen Studien kam und desto weiter ich an die Forschung heran geführt wurde, umso mehr war ich motiviert, noch weitere Schritte zu gehen. Ein Doktorat zu wagen, sah ich auch als persönliche Herausforderung.
Ich wollte sehen, ob ich das fertig bringe. Nach meinem Master habe ich mich umgeschaut, wo ich eine Stelle als Doktorand finde und habe mich beim „Centre de Recherche Public Gabriel Lippmann“ beworben. Eingeschrieben bin ich aber an einer Uni in Paris. Manchmal fahre ich dorthin, manchmal kommt mein Doktorvater, der auch andere Doktoranden beim LIST betreut, nach Luxemburg.
Was ist konkret das Thema ihrer Doktorarbeit?
De Castro Konkret geht es um die Entwicklung einer Quelle von Ionen, also elektrisch geladener Atome oder Moleküle mit denen Materialien beschossen werden. Aus ihnen werden dadurch zum Teil wieder geladene Moleküle oder Atome - so genannte Sekundarionen - gelöst, deren Eigenschaften man messen kann. Das gibt dann Aufschluss über die Zusammensetzung des Materials.
Solche Ionenkanonen kann man aber auch nutzen um ganz kleine Bauteile zu fräsen. Ionenquellen sind immer Teile von anderen Instrumenten. Das heißt, ich muss auch wissen, wie diese funktionieren. Und natürlich ebenfalls, wie die Testapparaturen beschaffen sind. Das alles verlangt eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Ingenieuren.
Wie lange hat man eigentlich Zeit, eine Doktorarbeit zu absolvieren?
De Castro Das hängt von der Universität ab. Ich für meinen Teil, bin jetzt im dritten und letzten Jahr meines Doktorats. Während dieser Zeit stehen neben der Forschung auch Kurse auf der Tagesordnung und auch der Besuch internationaler Konferenzen. Es ist sehr wichtig, dass man seinen Wissensstand mit dem anderer Wissenschaftler konfrontiert.
Und sich auch den kritischen Fragen der erfahrenen Spezialisten stellt. Ferner ist die Anzahl der Veröffentlichungen, die sie herausbringen, ein wichtiges Kriterium für Forscher sowie die Anzahl von Patenten, die durch ihre Forschung zustande kommen.
Aus Ihrer Erfahrung heraus: Was würden Sie jungen Menschen raten, die einen ähnlichen Weg einschlagen wollen wie Ihren?
De Castro Zunächst einmal geht ohne sehr viel Disziplin und Organisation wenig. Man braucht auch viel Geduld. Denn in der Physik sieht man nicht jeden Tag das Resultat seiner Arbeit. Zugleich muss man dafür offen sein, sich auch in andere Bereiche einzuarbeiten, die nicht unbedingt mit dem eigenen Fachgebiet zu tun haben, die man aber kennen muss, um effizient zu arbeiten.
Und man muss flexibel sein. Wir brauchen ja alle Mess- und Testinstrumente, die sich eine Reihe von Forschern teilen.
Wenn es damit irgendein Problem gibt, kann es schon mal vorkommen, dass die vorgesehene Zeit für ein Experiment sehr zusammen schrumpft.
Dann steht man an einem Tag auch schon mal mehr als zwölf Stunden im Laboratorium. Ein Forscher muss heute auch geographisch flexibel sein. Denn er muss international denken.
Wenn sich morgen woanders auf der Welt eine Möglichkeit bietet, wo er seine Forschung besser voran bringen kann, dann muss er auch bereit sein zu wechseln. In unserem kleinen Team von 15 Leuten haben wir zum Beispiel sieben bis acht Nationalitäten.
Was möchten Sie nach Ihrem Doktorat machen?
De Castro Das habe ich noch nicht definitiv beschlossen. Es kann sein, dass ich in der Grundlagenforschung weiter mache.
Ich schließe aber auch nicht aus, in der Wirtschaft oder in der Bildung tätig zu werden. Wie gesagt, man muss flexibel sein.
CLAUDE KARGER