Weinbauliche Praxis trifft auf Forschung

Mit dem Projekt Commect die Digitalisierung im Weinberg voranbringen

Source : De Letzeburger Bauer
Publication date : 12/08/2023

 

In Europa sind immer noch 13% der Bevölkerung unzureichend digital vernetzt. Das Sammeln von Erkundungsdaten oder der Einsatz von digitalen Lösungen können in diesen Gebieten nicht eingesetzt werden. Mit dem EU-Projekt Commect will man in den kommenden Jahren Grundlagen erarbeiten, um diese Datenübertragung zu verbessern, aber auch Wege aufzeigen, wie Daten aus Fern- und Naherkundung rasch und sinnvoll im Praxisalltag genutzt werden können. Koordinatorin ist Maria Rita Palattella vom Luxembourg Institute of Science and Technology (List).

Um einen umfassenden Austausch von bewährten Verfahren und technischem Wissen zwischen den Akteuren der agroforstlichen Wertschöpfungskette zu gewährleisten, sind für Commect fünf sogenannte „Living Labs" inner- und außerhalb der EU zurückbehalten worden, darunter Digitalisierung des Weinbaus in Luxemburg. In den Living Labs werden die Probleme der Endnutzer und die Vorteile der Konnektivität erörtert.

Nachfolgend informieren Ségolène Charvet vom Institut fir Biologesch Landwirtschaft an Agrarkultur (Ibla) und Miriam Machwitz vom Luxembourg Institute of Science and Technology (List) über den Stand der Dinge beim nationalen Living Lab.

Frau Charvet, Frau Machwitz, wie steht es denn bezüglich Internet und mobile Daten um das Weinbaugebiet Luxemburger Mosel?

M. Machwitz: Es geht bei unserem Projekt nicht in erster Linie darum, das Internet auszubauen. Die Abdeckung ist entlang der Mosel grundsätzlich gut. Wir möchten vorhandene Technologien hier optimal einsetzen, um nützliche Daten über lokale Wetterbedingungen oder den Pflanzenzustand dem Winzer zukommen zu lassen. Beispielsweise sind LoRa-Netzwerke energieeffizienter als das mobile Netzwerk. Wenn es Abdeckungslücken gibt und wenn wir Wettersensoren im Feld installieren, dann können die Daten z.B. über Satellitenkommunikation übertragen werden. In Commect geht es insbesondere um die Verbindung und Übertragung, so dass die Winzer schnelle Informationen über den Zustand ihrer Flächen erhalten. Witterungsereignisse werden immer lokaler und extremer, so dass Wettersensoren auf verschiedenen Flächen relevanter werden.

Wieviele Institutionen sind beteiligt und wieviele Mitarbeiter sind involviert?

M. Machwitz: Bei unserem Living Lab sind neben List und Ibla noch SES Techcom und Luxsense beteiligt. Insgesamt sind 15 Mitarbeiter involviert, aber diese arbeiten nicht ausschließlich an dem Projekt.

S. Charvet: Beim Projekt arbeiten wir aber mit allen Agrarakteuren zusammen, also auch der Asta, dem IVV und der Berufsvertretung. Es ist wichtig, dass alle Hand in Hand arbeiten.

Wie lange wird dieses Einzelprojekt noch laufen? Sind Folgeprojekte angedacht?

M. Machwitz: Es läuft insgesamt über drei Jahre und wir haben das erste Jahr gerade abgeschlossen. Ich denke, dass ein Antrag für ein Folgeprojekt gestellt wird. Grundsätzlich versuchen wir immer, laufende Projekte in irgendeiner Form weiterzuführen.

S. Charvet: Dadurch, dass wir verschiedene Partner sind, kann das Projekt auch verschiedene Wege nehmen. Das hängt einwenig davon ab, wie die Winzer die Nutzung des Projekts sehen. Wenn Satellitenbilder als besonders interessant angesehen werden, dann geht man evtl. mehr in diese Richtung. Es ist noch nicht so ganz klar im Moment, worauf wir aufbauen wollen.

Für die Zeit nach dem Projekt muss eine Lösung dafür gefunden werden, wie die aufgebauten Installationen für die Wetterstationen und -sensoren ins bestehende Netz integriert werden können. Und ob sie überhaupt dort integriert werden oder aber in andere Systeme. Commect möchte in erster Linie nützliche Lösungen entwickeln, die verschiedenen Akteuren hilft. Mit den Technikpartnern sowie Experten für die Wirtschaftlichkeit muss man sich schließlich ein nachhaltiges Businessmodell dafür überlegen, wie die im Projekt entwickelten Dinge in Zukunft am besten weiter genutzt werden können.

Sie haben bezüglich Commect kürzlich einen Workshop in Hëttermillen angeboten, bei dem zwei auf den Weinbau bezogene Tools präsentiert wurden. Aus welchen Bereichen stammten die Teilnehmer?

S. Charvet: Es waren Winzer von der Luxemburger Mosel und ein Firmenvertreter aus Deutschland beteiligt. Von Winzerseite waren unterschiedliche Betriebsgrößen vertreten. Das war von Vorteil. Jeder Betrieb hat einen anderen Bedarf in Sachen Datenfluss.

Eines der Tools beim Workshop war die Vorhersage von Peronospora. Wieviele Wetterstationen werden hinzugekommen?

S. Charvet: Es werden zwei volle und vier vereinfachte Stationen hinzukommen. Die vereinfachten messen Temperatur und Blattnässe. Man muss genau schauen, wo diese Stationen platziert werden, damit z.B. die Blattnässesensoren sich an einer Stelle befinden, die stärker von Feuchtigkeit betroffen ist. Sonst wird das Risiko unterschätzt.

M. Machwitz: Es ist deshalb wichtig, gemeinsam mit den Winzern zu entscheiden, wo auf der Fläche die Wetterstation hingestellt wird.

Werden die Vorhersagedaten zu diesen neuen Wetterstationen auf agrimeteo.lu zu finden sein?

M. Machwitz: In den nächsten beiden Projektjahren ist zunächst das Ziel, die Daten der neuen Station bei Vitimeteo verfügbar zu machen. Wie es dann weitergeht, ist noch nicht entschieden.

Was macht ein Winzer, wenn an seinem Standort kleinräumig ganz andere Tagesniederschlagsdaten zu verzeichnen sind als an der nächstgelegenen Wetterstation mit Peronospora-Vorhersage?

M. Machwitz: Wir hatten von einem Winzer eine Rückmeldung bekommen, dass seine Rebfläche von den vorhandenen Wetterstationen überhaupt nicht repräsentiert wird. Seine Flächen haben aktuell einen sehr weiten Abstand zu einer Wetterstation. Deshalb fährt er in den kritischen Phasen täglich dorthin und schaut sich die Situation vor Ort an. Wir hoffen, dass wir an solchen Standorten die Vorhersagen mit Sensorik unterstützen können. Vieles geht auch über Erfahrung. Spritzungen aus Angst vor einer Infektion, die sich im Nachhinein als unnötig herausstellen, sollen vermieden werden.

Das zweite Tool bei Ihrem Workshop bezog sich auf die Abbildung von Weinbergen mittels Satellit, Drohne oder Smartphone. Was wurde konkret präsentiert?

M. Machwitz: Wir haben im Prinzip Abbildungen auf drei Ebenen präsentiert: Aufnahmen, die innerhalb der Flächen gemacht wurden, Aufnahmen mit der Drohne und schließlich Satellitenaufnahmen, wo man sich die komplette Luxemburger Mosel anschauen kann. Somit leisten wir einen Beitrag zur Erstellung eines sog. digitalen Zwillings der Weinberge. Bei den Satellitendaten hatten wir einen Datensatz mit 3 m Auflösung zur Verfügung. Die neuesten Satelliten haben bereits eine Auflösung von 30 cm.

Bei den Drohnendaten lag die Auflösung bei 1-2 cm. Mit Drohnen arbeiten wir beim List jetzt schon seit sechs Jahren, vor allem um Krankheiten zu detektieren und zu kartieren, z.B. Esca.

Wie lautet das Feedback bezüglich solcher digitaler Abbildungen aus Beratung und Praxis?

M. Machwitz: Wir dachten, dass das Interesse für die gröber aufgelösten Satellitenbilder nicht so groß ist. Aber die Teilnehmer waren daran sehr interessiert und haben sich gerne angeschaut, was in diesem Bereich möglich ist. Großes Interesse besteht auch an einer 5- bis 7-jährigen Langzeitdokumentation zur Entwicklung der Rebparzellen, was relativ kostengünstig zu bewerkstelligen wäre, weil Daten mit 10 m Auflösung kostenlos zur Verfügung stehen.

Manche Winzer haben davon gesprochen, dass sie auf einer bestimmten Fläche dieses oder jenes Problem haben und sie es gut fänden, wenn wir diese nächstes Jahr mal aufnehmen könnten. Insgesamt war es sehr positiv, dass wir bei manchen Dingen erfassen konnten, welche Probleme auftauchen und dass tatsächlich Bedarf zum Nachforschen besteht. Das waren Probleme, die wir nicht direkt auf dem Schirm hatten, wo wir jetzt aber die Möglichkeit haben, in diese Richtung Daten zu erheben und diese zur Verfügung zu stellen.

S. Charvet: Das Projekt lebt vom engen Austausch zwischen der Forschung und den Winzern. Praktiker können sich jederzeit melden, wenn sie an einer engen Zusammenarbeit interessiert sind. Es können dann Aufnahmen gemacht werden, zwar nicht vom ganzen Betrieb, aber von einzelnen Parzellen.

M. Machwitz: Ein Interessent kann auch ganz konkret anmelden: „Ich möchte, dass diese oder jene Fläche beflogen wird, weil die Reben dort nicht so richtig wachsen." Solche Dinge sind für uns interessant und das Projekt lebt eben von solchen Aktionen.

Helmut Lui 

 

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