Erster Zwischenstand zum FILL-Projekt "Effiziente Fruchtfolgen" / Alternativvariante Leindotter wird durch Ölhanf ersetzt
Source : De Letzeburger Bauer
Date de publication : 25/11/2016
Das Projekt "EFFO - Effiziente Fruchtfolgen" wurde nach den Funden von Pflanzenschutzmittelrückständen, denen "ein Anwendungsverbot für S-Metolachlor sowie Anwendungsbeschränkungen für Metazachlor folgten, von der Fördergemeinschaft Integrierte Landbewirtschaftung Luxemburg (FILL) im vergangenen Jahr ins Leben gerufen und die erste
Aussaat bei den Feldversuchen konnte zum Herbst 2015 getätigt werden. Die Landwirtschaftskammer, das öffentliche Forschungsinstitut Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) sowie die Ackerbauschule arbeiten bei diesem Projekt, das vor allem die Optimierung des Rapsanbaus hinsichtlich von Umweltzielen visiert und von 2015-2020 läuft, Hand in Hand. Pflanzenschutzmittelrückstände im Grundwasser sollen weitestgehend vermieden, der Herbizideinsatz im Rapsanbau eingeschränkt werden. Weitere Umweltziele sind die Erosionsvermeidung sowie die Erhaltung der Biodiversität. Am vergangenen Montag wurden die Arbeiten des ersten Projektjahres am LIST in Belvaux vorgestellt und eine erste, vorsichtige Bewertung getätigt.
Lucien Hoffmann, der beim LIST für den Bereich "Environmental Research & Innovation" zuständig ist, konnte eingangs eine große Zahl von Gästen begrüßen, darunter die beiden Minister Fernand Etgen und Carole Dieschbourg.
Eine allgemeine Projekteinführung gab anschließend Gérard Conter vom LTA. Er erklärte zunächst den Ursprung der FILL und den Begriff integrierte Landwirtschaft und erläuterte, daß das innovative EFFO-Projekt von drei Ministerien (Ressorts Landwirtschaft, Umwelt, Forschung) unterstützt wird. Anschließend machte er deutlich, daß die drei beteiligten Institutionen für die Projektumsetzung unbedingt erforderlich sind. Das LTA übernimmt den Part des Wissenstransfers von der Forschung in die Praxis. Dies kommt zum einen der Aus- und Weiterbildung zugute, aber auch der landwirtschaftlichen Praxis auf direktem Wege. Zwei Schüler der landwirtschaftlichen Technikerausbildung. derzeit im dritten Semester, erläuterten zum einen den modularen Aufbau ihrer Ausbildung, wo es einerseits eine direkte Verbindung zur Wissenschaft und andererseits eine direkte Verbindung zur Praxis gibt. Zum anderen gaben sie eine Ein führurig in den Rapsanbau in Luxemburg und erläuterten die Vorzüge der Rapskultur. Der Anbauumfang bewegte sich in den vergangenen Jahren um 4.000 ha. Bei der direktkostenfreien Leistung übertrifft der Raps den Brotweizen deutlich. Hinzu kommen, als weitere Vorzüge, sein hoher Vorfruchtwert, die Fruchtfolgeauflokkerung, die tiefe Durchwurzelung, die lange Bodenbedeckung und die Funktion als wichtige Trachtquelle für Bienen. Auch arbeitstechnisch schneidet Raps günstig ab.
Acht Varianten werden untersucht
Alain Majerus von der Landwirtschaftskammer stellte anschließend die Feldversuche vor. Vertreten sind stauseenahe Schieferbodenstandorte im Ösling (angrenzend an das Einzugsgebiet der Talsperre), ein typischer Standort im Bereich des Luxemburger Sandsteins, welcher hierzulande Hauptgrundwasserleiter ist (angrenzend an zwei SES Quellenschutzgebiete) sowie zwei Buntsandsteinstandorte an der Sauer, welche nahe zu den Versuchsfeldern der Ackerbauschule liegen.
Zwei Ebenen werden bei den Feld versuchen bedient: zum einen die Fruchtfolgeversuche, zum anderen die Versuche zum alternativen Rapsanbau. Letztere beinhalten acht alternative Anbautechniken. Die klassische Metazachlorvariante dient als Kontrollvariante. Daneben wird eine integrierte Variante mit alternativen Herbizid-Wirkstoffen getestet.
Die "Weite Reihe" (Reihenabstand 75 cm) ist eine Variante mit teilmechanischer Unkrautbekämpfung und Bandspritzung (70% Wirkstoffeinsparung), Auch die sog. "Ökologische Variante", welche nicht gleichzusetzen ist mit Bioanbau. sondern laut Alain Majerus als "Standortpotential mit Minimalinput" anzusehen ist, weist diesen hohen Reihenabstand auf.
Zwei weitere Varianten befassen sich mit der ausschließlichen mechanischen Bearbeitung ("Striegel") bzw. mit einer Mischsaat von Raps und einer abfrierenden Leguminose (Colza associe). Und schließlich der Anbau der extensiven ÖlfrüchteÖllein und Leindotter als Rapsalternative.
Bei den Fruchtfolgeversuchen werden folgende Ziele verfolgt:
• enge Fruchtfolgen aufbrechen;
• Alternativen zum Raps finden;
• die Wirtschaftlichkeit der Fruchtfolge bewerten;
• Agrarumwelt- und Klimaschutzprogramme (AUKs) integrieren.
Es werden zwei Varianten von fünfgliedrigen Fruchtfolgen mit jeweils Halm-, Blatt- und Ölfrüchten (drei verschiedene) getestet, zudem Zwischenfrüchte integriert. In bei den Varianten kommen Sommerungen sowie die Erbse als Leguminose vor.
Die Auswertung der Wirtschaftlichkeit, ein wichtiger Bestandteil des Projekts, übernimmt das LTA. Berücksichtigt werden hierbei auch der Vorfruchtwert sowie die Möglichkeit, AUK-Programme zu nutzen und Greening-gerecht zu produzieren. Man will den Praktikern zeigen, was die ökonomische Bedeutung einer weiten Fruchtfolge ist. Hierzu werden die acht Varianten bezüglich ihrer "Direktkostenfreien Leistung" (DKL) bewertet, wobei man Maschinenringtarife zugrundelegt. Erste Resultate sind im Frühjahr zu erwarten. Später soll es mittels eines sog. "EFFO-Rotationsrechner" möglich sein, eine Fruchtfolge ökonomisch bewerten zu können.
Sehr große Ertragsunterschiede
Im zweiten Teil seines Vortrags ging Alain Majerus "auf das Kulturjahr 2015/2016 ein. Der Feldaufgang beim Raps war gut, jedoch führte der milde Winter teilweise zu üb erwachsenen Beständen. Beim Raps war das Schädlingsaufkommen normal, aber der Verlust durch die Weißstengeligkeit, der durchsch,nittlich 35% betrug, war hoch. Mit dem Resultat beim Öllein war man zufrieden. Die hohen Temperaturen im Spätsommer wirkten sich positiv auf die Abreife aus.
Was ergab sich beim Ertrag? Die standortbedingten Unterschiede waren hoch. In Reisdorf wurde fast doppeltsoviel geerntet wie in Flatzbour. Alain Majerus nannte die großen Unterschiede beim Unkrautdruck als einen Erklärungsversuch für die hohen standortbedingten Unterschiede. Der Raps war in Reisdorf schon im -Herbst nahezu unkrautfrei und blieb dies bis zum Bestandsschluß. Wegen der sehr wechselhaften Witterung konnte die mechanische Unkrautbekämpfung zum Teil gar nicht wie geplant durchgeführt werden. Bei den Wiederholungen einer Variante gab es teilweise starke Streuungen, was sich u.a. bei der Variante "Striegel" sehr stark bemerkbar machte.
Der Öllein zeigte sich als Low-Input Kultur ohne nennenswerten Schädlings- oder Krankheitsbefall und brachte einen normalen Ertrag von ca. 15 dt/ha. Beim Leindotter hingegen war der Schädlings- und Mehltaubefall hoch, der Ertrag deshalb mit 6-7 dt/ha miserabel. Kurzfristig wurde beschlossen, Leindotter im nächsten Jahr durch Ölhanf zu ersetzen.
In Sachen Fruchtfolgeversuche faßte sich Alain Majerus kurz und betonte, daß eine langfristige Betrachtung nötig ist. Beim Silomais gab es nur auf dem Standort Hobscheid Probleme durch starke Verschlämmung und dadurch bedingt große Ertragseinbußen. Winterweizen litt allgemein unter dem Sauerstoffmangel während der Blüte und der Kornfüllungsphase infolge von Staunässe. Die Erträge und Qualitäten waren deshalb allgemein schlecht.
Zum neuen Anbaujahr 2016/17 merkte der Berater von der Landwirtschaftskammer an, daß der Rapsauflauf aufgrund der Trockenheit zunächst verzettelt war, die Bestände jedoch nach und nach zu sich gekommen seien und sich nun schön präsentierten. Die Hackbedingungen waren in diesem Herbst ideal.
Schließlich kam Alain Majerus noch auf das Thema Fernerkundung zu sprechen. Im Herbst 2016 wurden in Zusammenarbeit mit der Start-up-Firma Geocoptix Überfliegungenmit unterschiedlichen Kamerasystemen gemacht und Bilddaten zur Bodenbedeckung und zur Verunkrautung erstellt. Langfristiges Ziel sei, aus solchen Daten Verfahren zur teilflächenspezifischen Unkrautbekämpfung zu entwickeln. Diesbezüglich nannte er als Idee, Algorhythmen für verschiedene Unkrautfloren zu entwickeln, um mit Hilfe von Sensoren zeitnahe, hochauflösende Bilddaten (evtl. von Satelliten) für eine teilflächenspezifische Bekämpfung nutzen zu können.
In puncto mechanische oder chemische Behandlung bleibt anzumerken, daß man seitens der Versuchsbetreiber nicht schematisch, sondern integriert vorgeht und je nach den standortspezifischen Bedingungen Maßnahmen durchgeführt bzw. unterlassen werden. Das heißt also zum Beispiel in puncto mechanische Behandlung, daß die Bodenbedingungen und das Stadium der Kultur passen müssen. Bei den integrierten Reihenvarianten behält man sich vor, im Nachauflauf eine Herbizid-Maßnahme gegen eine spezifische Verunkrautung vorzunehmen, wenn die wirtschaftliche Schadensschwelle überschritten wird.
Umfangreiche Erhebung von Felddaten
Der Agrarentomologe Dr. Michael Eickermann sprach anschließend über den Part von LIST, die Erhebung und wissenschaftliche Auswertung von Felddaten. Neben pflanzenphänologischen, entomologischen und herbologischen Daten werden auch die meteorologischen Daten sowie bodenkundliehe Daten erhoben. Bodenproben von konventionell geführten Beständen werden auf Herbizidrückstände untersucht. Bei der Pflanzenphänologie interessieren nicht nur die BBCH-Stadien, sondern auch Pflanzendichte, Wurzelhalsdurchmesser und Bedeckungsgrad.
Einen Punkt hob Dr. Eickermann besonders hervor, nämlich das Unkrautmonitoring. Erhoben werden die Unkrautdichte, der Verunkrautungsgrad, die Unkrautart sowie die Leitunkräuter. Es wurden im ersten Projektjahr 24 Arten gefunden, 17 davon "gehäuft", d.h. der Anteil in der jeweiligen Stichprobe war größer als acht Prozent. Für die Artenbestimmung greift man auf das herbologische Know-how von Gilles Parisot von der Landwirtschaftskammer zurück.
Dr. Eickermann zeigte anhand einer Tabelle, daß Acker-Stiefmütterchen, Acker-Vergißmeinnicht, Vogelmiere und Hirtentäschel in jeder Variante gehäuft vorkommen. Es. wird aus der Tabelle auch ersichtlich, wo die Schwächen des Alternativherbizids liegen, nämlich bei Ausfallgetreide, Kamille, Quecke und Einjähriger Rispe. Bei Colza associe kommt neben den vier genannten Arten nur noch der Klatschmohn gehäuft vor. Beim Vergleich der Varianten Metazachlor und Weite Reihe fiel auf, daß durch die Bekämpfung im Herbst ein gänzlich anderes Spektrum im Frühjahr zu verzeichnen ist. Die im Herbst dominierenden Arten Knöterich und Vogelmiere machten eventuell den Platz frei für Acker-Stiefmütterchen, - Vergißmeinnicht und Hirtentäschel, mutmaßte der LIST-Wissenschaftler. Zur meteorologischen Situation merkte Dr. Eickermann an: ein relativ nasses, ein relativ warmes Jahr, Wassermangel zum Zeitpunkt der Rapssaat, welcher jedoch nicht anhielt.
Vorläufige Empfehlungen der Kooperationspartner
Schließlich kam er auf sechs vorläufige Empfehlungen der Kooperationspartner an die Politik und die Entscheidungsträger in der Agrarwirtschaft zu sprechen und merkte an, daß es für weitergehende Empfehlungen noch zu früh ist.
In puncto Metazachlor, der klassischen Herbizidvariante im Winterraps, wird empfohlen, die aus dem EFFO-Projekt gewonnenen Erkenntnisse kurzfristig in eine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung von Unkräutern im Raps umzusetzen. Um Umwelteinwirkungen zu vermeiden, sollte der Wirkstoff nur gezielt und sorgfältig außerhalb der Wasserschutzgebiete eingesetzt werden. Außerdem raten die Experten, den Einsatz von alternativen Herbiziden sorgsam abzuwägen.
Als interessante Alternativen zum konventionellen Anbau werden die Varianten "Colza associe" und Rapsanbau in weiter Reihe" (gegebenenfalls Zwischensaat in der weiten Reihe als Erosionsschutz) hervorgehoben. Außerdem machen die Autoren darauf aufmerksam, daß sich bei Verzicht auf konventionelle Kulturführung die Arbeitsabläufe ändern bzw. andere Anforderungen an den Maschinenpark gestellt werden und vermutlich mit steigenden Ertragsunsicherheiten gerechnet werden kann. Dr. Eickermann ergänzte hierzu, daß die Kombination der bei den vorläufig empfohlenen Varianten ein interessanter Schritt wäre. Durch den Klimawandel könnte es künftig allgemein Probleme beim Kulturablauf geben, z.B. durch eine ausgeprägte Trockenheit im August und September.
Eine weitere Empfehl ung betrifft die weiteren Ölpflanzen, zum Beispiel Öllein, die eine interessante Alternative zum Winterraps sein könnten. Diese benötigten jedoch etablierte Vermarktungskanäle sowie eine "kritische Masse", um überhaupt Abnehmer finden zu können.
Die letzte Empfehlung bezieht sich auf die Nutzung moderner Technik im Sinne der Smart Agriculture, zum Beispiel in Verbindung mit der Erkundung aus der Luft. Der Einsatz dieser Technik sollte im Feld erprobt werden, um langfristig Flächenapplikationen von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Abschließend dankte Dr. Eickermann den Partnern für die gute Zusammenarbeit: "Ohne die gute Kooperation untereinander würde das Projekt bei weitem nicht so gut laufen."
In der anschließenden Diskussion wurde betont, daß es eines passenden politischen Rahmens bedarf, um Alternativen zum herkömmlichen Rapsanbau eine Zukunft geben zu können. Bei der Variante "Weite Reihe" nimmt man absichtlich einen sehr weiten Reihenabstand von 75 cm, so daß die verwendete Hacktechnik auch beim Mais eingesetzt werden kann.
Alain Majerus wies auf die Wichtigkeit hin, eine ausreichende Zahl von Wirkstoffen zu behalten, sonst werde der Rapsanbau hierzulande aufgegeben - zugunsten von Getreidekulturen vor allem. Dabei sei Raps sehr wichtig in der Fruchtfolge. Bei einer Aufgabe seien Resistenzprobleme in den anderen Winterkulturen zu befürchten. Wichtig sei es, eine Strategie zu entwickeln, um den Raps in der Fruchtfolge behalten zu können. Der Berater von der Landwirtschaftskammer machte deutlich, daß es keinen Königsweg geben kann, sondern daß verschiedene Lösungen zum gewünschten Ziel führen werden. Die Annahme, daß künftig jedes Wasserschutzgebiet ökologisch bewirtschaftet werde, bezeichnete er als illusorisch.
Die beiden anwesenden Minister richteten schließlich das Wort an die Anwesenden. Carole Dieschbourg kam auf alternative Kulturen in Wasserschutzgebieten zu sprechen. Sie nannte diesbezüglich nachwachsende Rohstoffe, die beim Bauen Verwendung finden können. Alternativen müßten immer auch ökonomisch sinnvoll sein, befand die Umweltministerin.
Landwirtschaftsminister Fernand Etgen bezeichnete EFFO als "ein Puzzlestück der Lösung" für einen nachhaltigen Ackerbau. Er lobte die Rolle des LTA innerhalb des Projekts. Es sei wichtig, die Resultate der Versuche "an den Bauer" bringen zu können. Des weiteren kam der Minister darauf zu sprechen, daß der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz derzeit in den zuständigen Verwaltungen ausgearbeitet wird. Er kündigte an, daß auch für 2015 Statistiken zu den verwendeten PSM veröffentlicht werden.
FILL-Präsident Nico Kass sagte in seinem Schlußwort, es gehe darum, die Landwirtschaft zu unterstützen und die richtigen Empfehlungen herauszugeben. Motivation und Anerkennung der Landwirtschaft sei sehr wichtig, unabhängig von der Bewirtschaftungsform. Der FILL Präsident lobte des weiteren den Vorzug, mit drei unterschiedlichen Ressorts zusammen ohne Vorurteile an die Problematik herangehen und in fünf Jahren Resultate vorzeigen zu können.
Abschließend sei angemerkt, daß der erste Jahresbericht zum EFFO-Projekt Anfang Dezember veröffentlicht werden soll.
(hl)