Sich eine Scheibe vom Kuchen sichern

Gestern veranstalteten die beiden Staatssekretäre Marc Hansen aus dem Forschungsministerium (der offiziell Minister sein wird, wenn Sie dies lesen) und Francine Closener aus dem Wirtschaftsministerium einen großen Bahnhof mit Uni-Rektor Klump, LIST-Chef Crean, Dr. Georges Thielen von Goodyear, Luxinnovation und etlichen Beamten für die Presse, um gut Wetter für die Regierung nach der doch desaströsen Chamberwoche zu machen.

Source : Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
Date de publication : 19/12/2015

 

Das mit einer Idee von vor zwei Jahren, die vor einem Jahr zu einem Studienauftrag führte, und die jetzt in die Praxis umgesetzt werden soll. Was dabei rauskommen soll, ist zwar gewußt, aber nicht, was wie zuerst passiert - oder es wurde nicht verraten.

»Composite« = Verbundwerkstoff

Dies Ding ist weder neu noch unbekannt, auch wenn der englische Begriff den meisten kaum etwas sagt. Mit Spanplatten, Beton oder Schleifscheiben hat wohl fast jeder schon mal zu tun gehabt, und zuletzt sind Glasfaserkabel in aller Munde, zumindest hier in Luxemburg, wenn sich über Baugruben aufgeregt wird, in die sie hineinkommen. Alles das ist ein Faserverbund und gehört zu den Verbundwerkstoffen, wie auch die Karbonfaser - sie findet sich vom Rahmen des Rennrads übers Rennauto bis zum Flugzeug oder zur Raumfahrt. Im Prinzip also überall, wo Gewicht eine Rolle spielt, und wo es keine Kompromisse bei Festigkeit und/oder Flexibilität geben kann.

Nachdem also vor zwei Jahren im »Hohen Komitee für die Industrie« die Idee zu so einem Zentrum geboren wurde, fahndete Luxinnovation nach interessierten Betrieben, die sich an so etwas beteiligen wollten. Die erste dafür nötige Bedingung war die Bereitschaft, zur Hälfte eine Studie zum Thema zu finanzieren, von der der Staat die zweite Hälfte übernahm.

Die Studie ist fertig, wurde mitgeteilt, aber sie bleibt geheim, wie das der allgemeinen »Transparenz« der aktuellen Regierung entspricht. Wir sind gebeten, mit den paar Brocken zufrieden zu sein: 1.600 Leute arbeiten bereits in diesem Bereich in Luxemburg; es gäbe ein Wachstumspotential von zehn Prozent pro Jahr; weltweit werde der Wert des Absatzes an Verbundwerkstoffen 2020 schätzungsweise 90 Milliarden US-Dollar ausmachen; sowohl an der Uni wie im öffentlichen Forschungsinstitut LIST (»Luxembourg Institute of Science and Technology«) gibt es Kompetenzen; 550 zusätzliche Arbeitsplätze werden in fünf Jahren in Luxemburg auf diesem Gebiet vorausgesagt.

Die zwölf Betriebe, die diese Studie zur Hälfte finanziert haben, - Airtech Europe SA, EC, E-Xstream, Delphi, Dupont, Glanzstoff, Goodyear, lEE, JM composites, Michel man, Performance Fibers, Reichert Technology Partners - waren überzeugt, daß sie etwas davon haben, wenn sie gemeinsam Forschung in einem Zentrum zusammen mit Uni und LIST betreiben. Bisher gab es zwar auch schon Forschungsprojekte, aber nur solche, wo ein Betrieb entweder mit der Uni oder mit LIST kooperierte.

Laboratorium in Bascharage

Das LIST hat zur Zeit Räume in den ehemaligen TDK-Hallen in Bascharage und wird dort jetzt das Laboratorium des neuen Zentrums einrichten - wir werden uns an das neue Kürzel NCC-L erst gewöhnen müssen. 40 Forscher stellt das LIST dafür ab. Als Direktor des neuen Zentrums wurde der belgische Universitätsprofessor Philippe Dubois ab 1. Januar 2016 gewonnen - er wird im Rahmen eines Pearl-Projets vom FNR, dem nationalen Forschungsfonds, subventioniert. Er wurde gestern als »Nr. 5 Europas« auf dem Gebiet vorgestellt und wird auch eine Lehrtätigkeit an der Uni Luxemburg aufnehmen.

Das Zentrum wird über eine erst abzuschließende Konvention für die nächsten fünf Jahre 100 Millionen Euro erhalten - elfeinhalb Millionen Euro für Installationen, der Rest für Gehälter und Tests. Die Hälfte davon kommt vom Staat, die zweite Hälfte von den zwölf Firmen. Langfristig ist eine Übersiedlung nach Belval geplant, aber das wird noch etwas länger als die von Staatssekretär Hansen angesprochenen drei Jahre dauern, sind doch die dafür nötigen Räume noch gar nicht im Bau.

Während die Regierung nur an angewandter Forschung und konkreten Ergebnissen interessiert ist - der LIST-Chef biederte sich den Staatssekretären an mit einem »Publikationen schaffen keine Arbeitsplätze, das hier aber schon!« -, verwies Rektor Klump sie auf die Plätze, indem er klarstellte, die Publikationen lieferten das Wissen, auf dem angewandte Forschung aufbaut. Die Universität sieht sich als Zentrum der Forschung im Land, und die Grundlagenforschung ist die unverzichtbare Voraussetzung für die angewandte Forschung im Anschluß - Musik in unseren Ohren!

In welche Richtung es gehen soll, erfuhren wir immerhin von Georges Thielen, der nebenbei noch dem »Luxembourg Materials and Production Technology Cluster« vorsteht: es gibt heute in Luxemburg eine Lieferkette von sechs Industriebetrieben in erdölbasierten Fasern, aber dort liegt aus offensichtlichen Gründen nicht die Zukunft. So soll sich denn die Forschung im neuen Zentrum vor allem auf Verbundwerkstoffe mit Bio-Materialien konzentrieren. Recyclingverfahren werden dabei auch eine Rolle spielen - der geringste Teil wird schließlich in den Weltraum geschossen!

jmj

 

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