Stickstoffdioxidbelastung in Luxemburg : Ergebnisse eines Landesweiten screenings

Im Jahr 2018 wurde unter Leitung der Umweltverwaltung ein landesweites Screening der Stickstoffdioxid Belastung an 103 Standorten in Luxemburg (davon 41 ganzjährig) durchgeführt. Darüber hinaus wurden detaillierte Messungen, sowie Verkehrszählungen mittels des Umweltmesswagens des Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) durchgeführt. An einigen Standorten wurden Überschreitungen des Jahresgrenzwertes festgestellt. Die Belastungen sind primär auf den Strassenverkehr zurückzuführen, beschränken sich jedoch auf den straßennahen Raum.

Source : Revue technique luxembourgeoise
Date de publication : 18/02/2020

 

Stickstoffdioxid (NO2) entsteht überwiegend durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Die Hauptquellen für die durch Menschen verursachten NO2 Emissionen sind der Verkehr, Feuerungsanlagen für Öl, Gas und Holz, sowie Industrieemissionen. Die relativ geringe Interaktion von NO2 mit den oberen Atemwegen führt dazu, dass der Schadstoff tief in den Atemtrakt eindringen kann und dort im Lungengewebe zu entzündlichen Prozessen, sowie zur Reizung der Bronchien führen kann. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit wurden von der Europäischen Union Grenzwerte für NO2 Konzentrationen in der Außenluft festgelegt. Der EU-Grenzwert für den Jahresmittelwert beträgt 40μg/m³. Der Kurzzeitgrenzwert von 200μg/m³ pro Stunde darf nicht öfter als 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden (EU Richtlinie 2008/50/CE).

Das im Jahr 2017 verabschiedete nationale Luftqualitätsprogramm sieht vor, die Kommunen in Luxemburg in Fragen der Luftreinhaltung miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang konnten die Gemeinden sich an einem landesweiten Screening der NO2 Immissionsbelastung im Jahr 2018 beteiligen (Untersuchungsziel: Jahresgrenzwert). Zu Beginn des Jahres wurden die Messungen an 103 Standorten begonnen, an 62 Standorte wurde nach 3 Monaten das Screening gestoppt, da mit hoher Wahrscheinlichkeit mit keiner Grenzwertverletzung zu rechnen war. An 41 Standorten wurden die Messungen bis zum Jahresende weitergeführt. 

Ob es zu Überschreitungen des Kurzzeitgrenzwertes bezüglich NO2 an verkehrsbeeinflussten Standorten kommen wird, ist mittels eines solchen Screenings jedoch nicht zu bewerten. An diesen sogenannten Hot Spots der NO2 Belastung wurden dahingehend zusätzliche, hochaufgelöste Messungen mittels des Umweltmesswagens des LIST durchgeführt. Neben der Bewertung der Einhaltung des Kurzzeitgrenzwertes dienen derartige mobile Messungen zur Erlangung von zusätzlichem Prozessverständnis. Die Hauptziele der Messkampagnen sind:

_Verbesserung der Information der Bürger
_Sensibilisierung der Gemeinden und ihrer Bewohner für das Thema Luftqualität allgemein und NO2 im Besonderen
_Motivation der Bürger, sich an der Verbesserung der Luftqualität zu beteiligen
_Vergleich der Ergebnisse auf nationaler und internationaler Ebene
_Vervollständigung und Verfeinerung der Messungen und Modellierung der Umweltverwaltung über die geografische Verteilung der NO2 Gehalte in ganz Luxemburg.

Messstandorte der Passivsammler in den Gemeinden

Im Jahr 2017 organisierte die Umweltverwaltung in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren die Auswahl der Messstellen für die NO2 Passivsammler in den Gemeinden. Des Weiteren wurden die Verteilung der Passivsammler, die Analytik, sowie die Validierung und Interpretation der Ergebnisse von der Umweltverwaltung betreut und durchgeführt. Die Kosten der Analytik wurden seitens der beteiligten Gemeinden getragen. Die genaue Lokalisation der Messstellen ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Messprinzipien

Die Messung der zweiwöchigen NO2 Immissionskonzentrationen erfolgte mittels Passivsammlern, sogenannten Palmes Diffusionsröhrchen. Diese arbeiten nach einem Verfahren, das als molekulare Diffusion bezeichnet wird. Die Verbindungen (in diesem Fall NO2) in der Umgebungsluft haben eine höhere Konzentration als die Luft in der Röhre, so dass die Verbindungen in die Röhre diffundieren und auf dem Adsorber am Ende der Röhre gesammelt werden. Weil die Verbindungen absorbiert werden, wird die niedrigere Konzentration in der Röhre beibehalten, und die Diffusion geht weiter.

Die Geschwindigkeit, mit der die Verbindungen sich in die Röhre bewegen, wird als Aufnahmerate bezeichnet. Dies ist eine bekannte Rate und wird in den Berechnungen der NO2 Konzentrationen verwendet. Die Diffusionsröhrchen sind für eine Langzeitüberwachung vorgesehen. Das Röhrchen wird an der erforderlichen Überwachungsstelle in ca. 3m Höhe an wettergeschützten Halterungen platziert und dort für 2 Wochen exponiert. Nach Ablauf dieser Sammelzeit wird der Adsorber im Labor extrahiert und ionenchromatographisch analysiert, und die Konzentration in der Luft mit Hilfe der Adsorptionsrate bestimmt.

Der eingesetzte Messwagen des Luxembourg Institute of Science and Technology (Abbildung 1) ist unter anderem mit einem eignungsgeprüften kontinuierlich arbeitenden Analysator zur Bestimmung von Stickoxiden in der Umgebungsluft (HORIBA APNA-370) ausgerüstet. Es handelt sich um einen Chemilumineszenzmonitor, welcher das "Cross Flow" Modulations Prinzip verwendet. Das Gerät garantiert einen wartungsarmen Betrieb und extrem stabile Messungen. 

Es ist eignungsgeprüft nach EN-14211 (Referenzmethode für kontinuierliche Immissionsmessungen). Alle Messungen wurden in einer fünfsekündlichen Auflösung ca. 3m über dem Erdboden realisiert, aus denen die entsprechenden Minutenwerte, sowie Stundenwerte abgeleitet wurden. An den Messpunkten wurden während der Messungen manuelle Verkehrszählungen von PKW sowie von Kraftfahrzeugen grösser als 3,5 Tonnen durchgeführt.

Die Abbildung 2 zeigt die Rangfolge und die Variation (Minimal- und Maximalwert) von NO2 Konzentrationen (μg/m3), gemessen an 41 Orten im 2 wöchentlichen Rhythmus im Jahr 2018. Zusätzlich sind in der Grafik die 7 ortsfesten Messstationen der Umweltverwaltung mit kontinuierlichen NO2 Messungen dargestellt, sowie die Ergebnisse von 3 Sondermesskampagnen in Esch-sur-Alzette am Bahnhof (EG), in Bascharage (BS) und in Remich (RM). Für die rot markierten Balken wurde der EU-Grenzwert für den Jahresmittelwert von 40μg/m³ im Jahr 2018 überschritten. An den gelb markierten Stationen kann es unter Berücksichtigung der Messunsicherheit des Passivsammler- Verfahrens von 5μg/m3 eventuell zur Verletzung des Jahresmittelwertes kommen. Die grau markierten Messstationen liegen im Jahr 2018 unterhalb des Jahresgrenzwertes für NO2. Die fünf am stärksten mit NO2 belasteten Messstandorte liegen in Hesperange, Esch-Alzette, Echternach, Differdange und Luxemburg Stadt.

Um einen Zusammenhang der mittels Passivsammlern gewonnen Konzentrationen und den entsprechenden Verkehrszahlen an den jeweiligen Messstellen zu erstellen, wurden automatische Verkehrszählstellen identifiziert, die in unmittelbarer Umgebung der NO2 Messstellen liegen. In den Gemeinden Mertert (Wasserbillig), Bertrange, Mamer und Steinsel zeigen sich folgende Zusammenhänge zwischen der Verkehrsbelastung und den mittleren zweiwöchigen NO2 Immissionskonzentrationen. Überraschenderweise ist bei 2-wöchigen Messungen (Mittelwert NO2 versus Mittelwert Verkehrsstärke) kein klarer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Fahrzeuge und der Höhe der NO2 Werte erkennbar. Besonders bei der Analyse der LKW Belastung (Abbildung 3 rechts) wird deutlich, dass die Standortcharakteristika (Bebauungsdichte, Höhe der Randbebauung, Durchlüftung, begleitende Grünflächen etc.) wesentlich wichtiger als die Verkehrsstärke sind. 

So weist zum Beispiel die sehr eng bebaute Grand-Rue in Mertert (Wasserbillig) trotz geringerer Verkehrszahlen wesentlich höhere NO2 Konzentrationen auf, als der besser durchlüftete Standort Bertrange. Im Gegensatz dazu, zeigen die stündlichen Messungen der NO2 Immissionskonzentrationen mittels des Umweltmesswagens des LIST ein anderes Bild (Abbildung 4). Sowohl in Hesperange, als auch in Differdange ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen der NO2 Belastung und der Verkehrsmenge zu erkennen. Aus einem gesundheitlichen Aspekt betrachtet stellt sich die Frage, wie weit die strassennahen hohen Konzentrationen in die Randbebauung eindringen können. Um dies beurteilen zu können, wurden Transektenmessungen in den Gemeinde Hesperange, Differdange und Walferdange durchgeführt. Als Referenzpunkt für die hohen Belastungen dienten ein Messpunkte an der zentralen Hauptstraßen. Weitere Messpunkte befanden sich in den angrenzenden Wohngebieten. An jedem dieser Messpunkte wurden zeitlich hoch aufgelöste, stündliche Stickstoffdioxidmessungen realisiert.

Die Messpunkte an der Hauptstraßen sind durch einen sehr unruhigen Verlauf der Konzentrationskurven geprägt. Hier zeigt sich die Nähe zur Hauptquelle der Stickoxide und der Einfluss staubedingten oder ampelbedingten Stop & Go Verkehrs. Bereits am ersten Messpunkt im angrenzenden Wohngebiet gehen sowohl die absoluten Immissionskonzentrationen als auch deren Variabilität deutlich zurück. Bei wiederholten Messungen ergibt sich ein einheitliches Bild. Die hohen Konzentrationen an den Hauptstraßen – verringern sich um ca. 30% bis 50% ca. 60m von der Hauptemissionsquelle entfernt. Am dritten Messpunkt in einer Distanz von ca. 270m Entfernung zur Hauptstraße wurden in der Regel noch geringere Konzentrationen erfasst. Somit beschränken sich die hohen Immissionsbelastungen in allen Untersuchungen auf die direkte Straßenrandbebauung.

Fazit

In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr eine bedeutende NO2 Quelle mit einem Anteil von ca. 60%. Obwohl die NO2 Emissionen aus dem Verkehr sinken, nimmt der Anteil des NO2 an den gesamten Stickstoffoxid-Emissionen zu. Grund hierfür ist neben der natürlichen Umwandlung von Stickstoffmonoxid (NO) zu NO2 der höhere Anteil von NO2 im Abgas von mit Oxidationskatalysatoren ausgestatteten Dieselfahrzeugen. Das gebildete NO2 wird direkt emittiert und führt in Siedlungen entlang von Verkehrswegen zu erhöhten NO2 Konzentrationen. NO2 ist ein reaktives Oxidationsmittel, welches an Zellstrukturen der Atemwege Entzündungsreaktionen verursachen kann und somit negativ auf die Gesundheit wirkt. Eine Reduktion der Stickoxid Konzentrationen führt somit zu einer direkten Entlastung der betroffenen Bevölkerungsgruppen.

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass sich NO2 Konzentrationen schon auf kleinem Raum sehr stark unterscheiden können. Hohe Konzentrationen werden entlang von stark befahrenen Strassen registriert. Bereits einige Zehner Meter von der Fahrbahn entfernt werden deutlich geringe Konzentrationen gemessen. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Verkehrsstärke und den NO2 Belastungen bei stündlichen Messungen. Je länger jedoch der Mittelungszeitraum wird, desto stärker wirken Effekte der Bebauung, der Durchlüftung oder der großräumigen Wettersituation.

Danksagung

Wir danken Herrn P. Dornseiffer und C. Magar von der Administration de l'Environnement, Unité Surveillance et évaluation de l'Environnement für die Bereitstellung der Daten der Passivsammler, sowie für die Bereitschaft zur Diskussion der Ergebnisse.

Link zu den weiterführenden Berichten der Umweltverwaltung bezüglich des NO2 Screenings environnement.public.lu/fr/loft/air/mesures/campagnes-speciales/campagne-communes-NO2.html

Jürgen Junk, Franz Kai Ronellenfitsch, Andreas Krein

 

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